Jan Heine
ist Gründer von René Herse Cycles (ehemals Compass Cycles) und Herausgeber des Magazins Bicycle Quarterly. Schon während seines Studiums an der University of Texas war der gebürtige Deutsche Mitglied im Hochschul-Radsportteam und begeisterter Langstreckenfahrer. Anfang der 1990er Jahre kam er stärker mit der organisierten Randonneur-Szene in den USA in Kontakt und entwickelte sein Faible für die Radsport- und Randonneur-Kultur, wie sie Mitte des 20. Jahrhunderts in Frankreich ihre Hochphase erlebte.
Radsport und Randonneuring war dort von Mitte der 1930er bis in die späten 1960er Jahre sehr populär und wurde für viele Protagonisten zu einem Lebensstil. Die Nachfrage nach hochwertigen Rädern, Komponenten und Accessoires florierte. Jene Jahre waren die Blütezeit des französischen Rahmenbaus und kleiner unabhängiger Manufakturen, allen vorweg der von René Herse. Dessen Rahmenbaukunst, Räder und Komponentenentwicklungen sind bis heute legendär. Jan beschäftigte sich intensiv mit Herse und anderen „constructeurs“ jener Epoche und versuchte als Autor, in Radsportmagazinen Artikel über sie und die spezifische Fahrradkultur jener Zeit unterzubringen. Er stieß damals jedoch kaum auf Interesse in den Redaktionen. Er entschied sich kurzerhand, seine Randonneur-Geschichten in Form eines Newsletters zu publizieren, aus dem jedoch gleich ein Printmagazin wurde:
Bicycle Quaterly
Was im Sommer 2002 als besseres Fanzine zunächst noch unter dem Namen Vintage Bicycle Quarterly begann, ist 15 Jahre später zu einem liebevoll gestalteten umfang- und einflussreichen Magazin geworden, das vierteljährlich in englischer Sprache erscheint und sich ausschließlich durch Abonnements finanziert. Diese Unabhängigkeit von Werbeeinahmen macht es Bicycle Quarterly möglich, neben Touren- und Erfahrungsberichten auch die Ergebnisse eigener Untersuchungen zu technischen Themen zu veröffentlichen.
Ohne die Erkenntnisse, die das Team von Bicycle Quarterly über die Jahre z.B. in Bezug auf Reifentechnologie gewonnen hat, würden die Profis heutzutage „Paris-Roubaix“ vermutlich immer noch auf 23mm schmalen Reifen mit 8bar Druck absolvieren müssen. Ungeachtet aller Trends hat BQ bereits vor Jahren eine Lanze dafür gebrochen, dass Reifen breiter, geschmeidiger und weicher sein müssen, um schneller und effizienter zu sein. Darüberhinaus hätte die Renaissance der Laufradgröße 650B sowie deren Adaptionen für moderne Gravel- und Allroadbikes ohne BQ vermutlich gar nicht erst stattgefunden.
Bicycle Quarterly hat damit maßgeblichen Einfluss auf modernes Fahrraddesign genommen. Hier konnte die These, dass die klassischen Designs der „constructeurs“ auch heutigen Anforderungen noch mehr als gerecht werden, hartnäckig vertreten und über die Jahre auch belegt werden.
Compass Cycles
Die Gründung von Compass Cycles war die logische Fortsetzung der Arbeit an Bicycle Quarterly. 2015 erzählte Jan Heine dem Blogger Josh Cohen: „Bei unseren Recherchen haben wir dann dieses ganze tolle Zeug gefunden, das hierzulande niemand mehr verkaufte, geschweige denn produzierte. Da haben wir uns gesagt: Eigentlich wissen wir doch, wie man gute Reifen macht oder wie eine wirkliche gute, klassische Mittelzugbremse konstruiert sein muss. Ich sprach also bei einigen Herstellern vor, die uns teilweise sogar Musterteile angefertigt haben. Aber natürlich haben sie die nach ihrem Gutdünken gemacht und nicht so, wie ich es gerne gehabt hätte. Da habe ich beschlossen, meine eigene Firma zu gründen. Zuerst haben wir allerdings nur französische Bücher für unsere Leser importiert. Dann haben wir angefangen, Reifen aus Japan zu verkaufen [Grand Bois], fanden aber bald, dass es wenig sinnvoll war, als Fahrradmagazin mit Reifen zu handeln. Das war der Beginn von Compass Cycles. Seither designen und produzieren wir nur noch die Produkte, die sich in unseren Tests eindeutig bewährt haben und die wir selbst an unseren Rädern fahren wollen.“ (vgl. The Bicycle Story)
Seit 2010 wurden Komponenten und Reifen unter dem Label Compass Cycles in Seattle entworfen. Die Prototypen werden über Tausende von Kilometern on- und offroad getestet und von unabhängigen Laboren geprüft, bevor über eine Serienproduktion entschieden wird. Dass Performance in Perfektion gewährleistet ist, dafür bürgt eine strenge Qualitätskontrolle, die die Fertigung bei den renommiertesten Herstellern überwacht. Compass Cycles hat den eigenen Auftrag, gut 70 Jahre alte Erkenntnisse und Entwürfe in eine trend- und qualitätsbewusste Zukunftsfähigkeit zu überführen, seit der Firmengründung mehr als erfüllt.
René Herse Cycles
Anfang 2019 wurden die beiden Marken Compass Cycles und René Herse nun unter dem Dach von René Herse Cycles zusammengeführt. Beide Marken verschmelzen jetzt zu einer Marke, deren Fundament die Philosophie und das Vermächtnis von René Herse sind, dem legendären französischen Ingenieur, Rahmen- und Fahrradbauer. Herses Philosophie wurde ein Grundpfeiler von Jan Heines Firma Compass Cycles: den Mainstream hinterfragen, einmal mehr zurückschauen, um den Blick nach vorne zu schärfen, Trends setzen, Tradition mit Innovation verbinden, Modernität in zeitlosen Designs verwirklichen und die Ergebnisse überprüfen und testen, testen, testen. Jan Heines Freundschaft mit Lyli Herse und ihrem Ehemann Jean Desbois, seines Zeichens selbst constructeur und letzter Rahmenbauer bei René Herse, haben ihn unschätzbar viel über die Herstellung von Fahrrädern und Komponenten gelehrt.
Jan Heine hat mit Compass Cycles die Renaissance der Laufradgröße 650B eingeläutet, er hat den Randonneur zurück ins Rampenlicht gestellt und nebenbei auch noch die Reifenwelt auf den Kopf gestellt und uns wieder auf die dicken, weichen „Schlappen“ aus Herses Zeiten gestellt, die uns so viel mehr Fahrfreude bescheren. Ohne Jan Heines “real world testing” für Bicycle Quarterly und die daraus resultierende Reifenpalette von René Herse Cycles würde es das so genannte Gravel- oder Allroad-Bike heute gar nicht geben.
‘At René Herse Cycles, we make high-performance components for real-world riding. We are avid cyclists. We cover long distances at a spirited pace. We ride in any weather – even at night. We like the independence of going unsupported. And we make the components that we need for these rides. Whether the road is gravel or paved, whether our bikes are loaded with just the essentials for the ride or carry full camping gear, we just love riding our bikes. And when our bikes are beautiful, we want to ride them more. Performance is more important than fashion. These are the principles that guided René Herse. They continue to guide us at René Herse Cycles today and into the future.’
Jan Heine
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